Das Chamäleon-Auge

Die Augen gehören wohl zu den markantesten Spezialisierungen beim Chamäleon. Das Chamäleon hat grundsätzlich ein Linsenauge wie der Mensch. Die beiden Augen stehen allerdings zwecks Sichtfeldvergrößerung aus den Augenhöhlen fast vollständig heraus und können sich unabhängig voneinander bewegen. Das Auge selbst besteht aus einer doppelten Augenkammer.

Augenlider und Nickhaut

Die Augenlider des Chamäleons sind schuppig wie die ganze Haut des Tieres. Die beiden Lider sind miteinander verwachsen, zum Teil ist auch der Augapfel selbst mit den Lidern verwachsen. Nur vor der Linse bleibt eine Öffnung frei. Die Augenlider können wie die restliche Haut ihre Farbe ändern und so als Kommunikationsmittel dienen. Die Lider werden vollständig mitgehäutet. Chamäleons haben, ähnlich wie Säugetiere, ein „drittes Augenlid“, die sogenannte Nickhaut. Sie liegt im der Nase zugewandten Seite des Auges zwischen Lid und Augapfel, ist jedoch sehr klein, relativ kurz und enthält nur einen winzigen Knorpel.

Augenmuskeln

Unabhängig voneinander bewegliche Augen bei Calumma gallus

Unabhängig voneinander bewegliche Augen bei Calumma gallus

Das Auge wird von kleinen Muskeln bewegt, die gut versteckt unter den Augenlidern und in den Augenhöhlen liegen. Der Musculus rectus superior ist der breiteste Augenmuskel. Er verläuft von der Augenhöhle über den Augapfel bis zur Vorderseite desselben, wo er direkt am Ansatz der Hornhaut endet. Mit diesem Muskel wird die Hornhaut nach hinten-unten bewegt. Das Gegenstück, der Musculus rectus inferior besteht aus zwei Muskelbündeln, die unter dem Augapfel bis zum unteren Rand der Hornhaut verlaufen. Er bewegt die Hornhaut genau in die entgegen gesetzte Richtung, nach unten-mittig. Unweit davon endet der Musculus rectus medialis, der für die Bewegung der Hornhaut nach vorne-mittig sorgt. Daneben gibt es noch den Musculus rectus lateralis, der aus zwei Anteilen besteht und dafür verantwortlich ist, die Cornea nach mittig-hinten zu bewegen.

Der Musculus obliquus superior verläuft von der Augenhöhle bis direkt unter dem Musculus rectus superior, also oben am Augapfel (Bulbus). Er bewegt den Augapfel selbst nach vorne und unten. Der Musculus obliquus inferior dagegen verläuft eher waagerecht aus der Augenhöhle bis zur unteren Seite des Augapfels. Mit ihm kann das Auge nach oben bewegt werden.

Knöcherne Verstärkung

Ähnlich Vögeln haben Chamäleons einen kleinen Knochenring, den sogenannten Skleralknorpel, im Auge und rahmt die Hornhaut ein. Bei vielen Chamäleons verknöchern diese ursprünglich knorpeligen Strukturen mit der Zeit und man kann sie teils sogar im Skelett darstellen. Die Oberfläche des Skleralknorels ist von feinen Muskelfasern bedeckt, die zum Musculus depressor palpebralis gehören.

Die Linse

Präpariertes Auge eines Parsons Chamäleons

Die Linse ist das Organ, dass für die Brechung des Lichts im Auge verantwortlich ist. Die Scharfstellung des Auges erfolgt über die Krümmung der Linse durch den Musculus cornealis. Die Verformung der Linse dabei nennt man Akkomodation. Es wird vermutet, dass das Gehirn des Chamäleons das Ausmaß der Kontraktion der Augenmuskeln zur Akkomodation beim Sehen eines Beuteobjekts nutzt, um den Abstand zu besagtem Objekt abzuschätzen. Nach Forschungen von Frank Scheffel und Matthias Ott können Chamäleons die Linse tatsächlich über 45 Dioptrien genau variieren. Aktionen, bei denen die Akkomodation nicht präzise genug war, um Beute zu fassen, lagen bei ihren Studien nur bei 10%.

Die Linse hat im entspannten Zustand eine besondere Eigenschaft: Sie streut das Licht nicht, sondern bündelt es. Dadurch werden die visuellen Informationen wesentlich größer als „normal“ auf der Retina (Netzhaut) abgebildet. Es steht noch aus, zu untersuchen, wie dies zustande kommen kann – obwohl die Linse doch genau wie eine bikonvexe Sammellinse aussieht und rein theoretisch eine Brechkraft von etwa 18 Dioptrien haben müsste.

Das Sehfeld

Ein Chamäleon kann 90° vertikal und 180° horizontal sehen. Insgesamt beträgt das Sichtfeld 342 °, nur über dem Rücken direkt hinter dem Kopf gibt es einen toten Winkel von 18°, in dem das Chamäleon nichts sieht.

Sehschärfe

Die Sehschärfe wird wie beim Menschen durch die Sklera verursacht. Dadurch, dass das komplette Auge vom Augenlid bedeckt ist und nur ein kleines Loch frei bleibt, ergibt sich beim Chamäleon der Effekt einer Lochkamera, d.h. zusätzliche Schärfe. Chamäleons können bis auf ein Kilometer (!) Entfernung scharf und deutlich sehen. Die Fokussiergeschwindigkeit beträgt etwa 60 Dioptrien pro Sekunde (etwa das vierfache dessen, wozu ein menschliches Auge fähig ist).

Schlafendes Brookesia superciliaris mit geschlossenen Augen

Farb- und Kontrastsehen

Für Farb- und Kontrastsehen sind die Sehzellen (Photorezeptoren)  auf der Retina (Netzhaut) zuständig. Man unterteilt sie grob in Stäbchen und Zapfen. Chamäleons besitzen vor allem Zapfen. Sie sehen also vorwiegend Farben und wenig Kontraste, wodurch sie im Dunkeln praktisch blind sind (was aber kein Problem ist, da sie nicht nachtaktiv sind). Auf den Zapfen können sich Öltröpfchen anlagern, die den Lichteinfall schwächen. Das Chamäleon hat damit quasi eine Art „eingebaute Sonnenbrille“ zum Schutz des Auges. Lindsay Harkness schätzte die Anzahl der Zapfen in einem Chamäleonauge auf etwa 756.000 Stück pro mm² Netzhaut – das ist im Gegensatz zu anderen Reptilien sehr viel.

Augen und Verhalten

Bei einem jagenden Chamäleon suchen die Augen unablässig und unabhängig voneinander die Umgebung ab.  Erst wenn das Futtertier mit beiden Augen fokussiert ist, schießt das Chamäleon darauf. Dabei ist das korrekte Abschätzen der Entfernung zu einem Futtertier essentiell für einen erfolgreichen Zungenschuss.

Schläft das Chamäleon, so schließt es die Augenlider. Es kann seine Augäpfel zusätzlich zum Schutz mittels des Musculus depressor palpebralis nach unten senken, um die empfindliche Pupille zu schützen. Der genannte Muskel verläuft vom Lidspalt um den unteren Teil des Augapfels bis in den unteren Bereich der Augenhöhle. Die Funktion des Muskels wird auch bei der Reinigung des Auges genutzt. Gerade, wenn man dieses Verhalten das erste Mal beobachtet, kann es einem sehr merkwürdig vorkommen: Ist irgendetwas im Auge gelandet, so kann das Chamäleon seinen Augapfel gegen die Augenlider weit nach vorne aus der Orbita drücken. Dabei wird die Nickhaut nach oben geschoben, und eine Art Wischbewegung auf dem vorderen Teil des Augapfels ausgeführt. Meist wird das Auge noch zusätzlich an einem Ast gerieben, um den Fremdkörper zu entfernen. Das Vordrücken der Augen kann man auch vor Häutungen beobachten. Solange es nicht mehrfach am Tag oder über längeren Zeitraum immer wieder auftaucht, ist dieses Verhalten kein Grund zur Besorgnis.

Chamäleons können ihre Augen auch nach innen ziehen, zum Beispiel bei Stress. Unter normalen Bedingungen sind „eingefallene“ Augen jedoch oft ein Symptom für Erkrankungen.

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